Für uns beschreibt das „Positionspapier Kiel – klimaneutral 2035?!“ die riesigen Herausforderungen für die Landeshauptstadt. „Die Umsetzungsgeschwindigkeit der Emissionsreduktionen müsste sich bis 2035 etwa verfünffachen“, ist die dramatische Schlussfolgerung der Geschäftlichen Mitteilung, die am Dienstag, 2. November 2021, erstmals im Innen- und Umweltausschuss vorgestellt wurde. Kiel muss erheblich mehr tun. Doch ohne die passenden Rahmenbedingungen und Hilfen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene wird weder Kiel noch eine andere Stadt diese Herausforderungen schaffen. Vor allem dann, wenn gleichzeitig die soziale Gerechtigkeit nicht auf der Strecke bleiben darf. So spricht das Papier u.a. von einem erheblichen Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber auch von Änderungen im Verkehrsrecht – Aufgabenfelder, die nicht oder nicht nur im Rahmen kommunaler Verordnungen geregelt werden können. Für das Positionspapier hat sich das städtische Umweltschutzamt professioneller Unterstützung durch das „Büro SCS Hohmeyer | Partner“ zur Seite gestellt. Wollte Kiel bis 2035 Klimaneutralität – und nur das sichert die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ab – erreichen, sind nach Schätzungen des Büros 240 Millionen Euro jährlich nötig. Die Kosten verteilten sich auf alle Kieler Akteur*innen und würden im Gegenzug aber auch erhebliche positive Effekte für die regionale Wirtschaft auslösen. Und: „Klimaschutzinvestitionen sind außerdem in jedem Fall deutlich günstiger als die zukünftigen Folgekosten durch die fortschreitende Klimakrise“, heißt es in dem Positionspapier zu Kiels Klimaneutralität weiter.
Wir haben im Januar das Positionspapier mit dem zweiten Beschluss zum Climate Emergency angefordert. Jetzt müssen wir bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin auf die richtigen Maßnahmen für echten Klimaschutz drängen. Auch der Koalitionsvertrag nach den Landtagswahlen 2022 muss mit einer erheblichen Beschleunigung der Klimaschutzmaßnahmen aufwarten, etwa beim Ausbau des Nahverkehrs und der Sanierung von Gebäuden, öffentlich wie privat, und dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien. Das heißt aber nicht, dass Kiel jetzt resignieren sollte. Alle im kommunalen Einflussbereich liegenden Maßnahmen müssen weiter mit voller Kraft umgesetzt werden. Denn: Bei gleichbleibenden jährlichen Emissionen wäre das Kieler Emissionsbudget bereits 2028 aufgebraucht.
Wir brauchen mehr Energieeffizienz im gewerblichen und industriellen Sektor, eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, mehr regenerative Stromerzeugung, Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und Dekarbonisierung des Mobilitätssektors, Klimaneutralität bei Neubauvorhaben sowie einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen. Dafür ist es wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Der Kampf für eine klimaneutrale und lebenswerte Stadt wird allen sehr viel abverlangent, aber das Ziel einer klimaneutralen lebenswerten Stadt als Investition in die Zukunft ist alle Anstrengung wert.
Dies erklären der umweltpolitische Sprecher Axel Schnorrenberg (SPD-Ratsfraktion) und die Fraktionsvorsitzende Jessica Kordouni (Bündnis 90/Die Grünen).