m Rollstuhl ging es dann für alle in die Kieler Innenstadt. Mein erster Eindruck, als ich in „meinem“ Rollstuhl sitze: Ich fühle mich wackelig, unsicher und habe eine ziemlich verschobene Perspektive. Der Boden scheint holpriger als sonst. Mein zweiter Eindruck, nachdem wir ein paar Meter hinter uns gelassen haben: Es wird nicht viel besser. Schon bald treffen wir auf die erste Einfahrt, die mit einem so groben Kopfsteinpflaster gebaut ist, dass die Vorderräder drohen steckenzubleiben. Der Spaziergang wird zum Balanceakt, der sich gar nicht gut anfühlt.
Wir fahren den Papenkamp hinunter, was ganz angenehm sein könnte, wäre da nicht das starke Quergefälle. Ich fahre hinab und bemühe mich irgendwie dafür zu sorgen, dass der Rollstuhl nicht auf die Straße gleitet. Frau Dittmann erklärt, dass ein solches Quergefälle natürlich notwendig ist, um Regenwasser in den Rinnstein abzuleiten. Dabei würden aber ein bis anderthalb Grad völlig ausreichen – mehr hingegen machen Rollstuhlfahrer*innen das Leben schwer. Hier kämpfen wir gegen ungefähr sechs bis sieben Grad.
Als wir die Straße überqueren wollen, werden weitere Probleme deutlich: Ich sitze, bin deshalb schlechter zu erkennen und sehe auch selbst deutlich weniger. Über geparkte Autos kann ich nicht hinwegblicken – je höher die Autos, desto größer das Problem. Zudem brauche ich eine wirklich gut abgesenkte Bordsteinkante, um halbwegs sicher über die Straße zu kommen.
Und es geht weiter: Auf dem Gehweg parkende Autos, die zwischen Haus und Straße nicht genügend Platz lassen, ärgern mich auch als Fußgänger. Für Rollstuhlfahrer*innen bilden diese Parker ein unüberwindbares Hindernis. Und auch die Poller, die eigentlich aufgestellt wurden, um das Gehwegparken zu verhindern, erweisen sich zuweilen als Problem: Auf dem Bürgersteig bleibt einfach zu wenig Platz.
Auf dem Holstenplatz angekommen, wollen wir ein Eis essen. Noch niemals zuvor ist mir aufgefallen, dass die Läden an diesem Platz nur über eine Stufe zu betreten sind. Kein Problem für die meisten Fußgänger, auch mit Kinderwagen machbar, aber für Rollstuhlfahrer*innen ergibt sich hier wieder eine (für mich unerwartete) Hürde.
Was tun? Einige Ladenbesitzer*innen haben mitgedacht und Rampen über die Stufe gelegt. Diese sind aber, wie ich schnell merke, oft zu steil und ohne fremde Hilfe habe ich keine Chance auf mein Eis oder meinen Kaffee. Im Gespräch mit Sabine Dittmann begreifen wir schnell, wie unbefriedigend diese Situation auf die Dauer ist – das Ziel sollte doch eine Infrastruktur sein, die Teilhabe für alle sichert und Notlösungen überflüssig macht. Tatsächlich soll der Holstenplatz im Zuge seiner Neugestaltung angehoben werden, um das Stufenproblem zu lösen. Auch wenn dies noch lange dauern wird, schöpfen wir Hoffnung auf ein barrierefreies oder zumindest barriereärmeres Kiel.
Nach einer guten Stunde bin ich körperlich erschöpft und voller neuer Eindrücke. Ich habe viel gelernt und möchte mich noch stärker einsetzen für eine gerechte Aufteilung des öffentlichen Raumes, bei der an alle gedacht ist. Das ist übrigens kein freiwilliges, besonders wohlwollendes Engagement von meiner Seite. Das Recht auf Teilhabe ist in der UN-Behindertenkonvention verankert, die Deutschland bereits im Jahre 2007 unterschrieben hat. Seitdem ist zwar einiges passiert, aber der Weg ist noch weit und, wie ich heute bemerkt habe, ziemlich holprig.