„Man muss Menschen mögen“

Im Februar 2019 hat sich unsere Doppelspitze mit dem Oberbürgermeister Ulf Kämpfer in seinem Büro im Kieler Rathaus zum Interview getroffen.

Bild: Thore Pingpank

 

Westwind: Du bist nun ja schon fünf Jahre Oberbürgermeister. Worauf bist du denn rückblickend besonders stolz?

Ulf Kämpfer: Meine erste Reifeprüfung war schon an meinem zweiten Amtstag, als die damaligen Investoren das geplante Gasheizkraftwerk plötzlich doch
nicht bauen wollten. Das Kohlekraftwerk wollten wir aber auch nicht länger betreiben. Wenn allerdings 70.000 Haushalte von Fernwärme abhängig sind, sollte es bei denen lieber nicht kalt werden. Mit viel Hartnäckigkeit haben wir es schließlich geschafft, den Investor MVV Energie wieder ins Boot zu holen. Ich bin auch stolz auf das, was wir beim Wohnungsbau geschafft haben. Wir haben die Zahl der Baugenehmigungen verdreifacht, um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Als Krönung sehe ich dann noch die Gründung einer eigenen Kieler Wohnungsbaugesellschaft. Kleinere Dinge sind die Städtepartnerschaften mit San Francisco und jetzt mit Aarhus. Das trägt alles zu
einer neuen Kieler Identität bei.

Westwind: Was kann Kiel von San Francisco lernen?

Ulf Kämpfer: Sicherlich kann Kiel etwas vom Aufbruchsgeist und Innovationsgeist lernen. Man kann aber auch als abschreckendes Beispiel sehen, was es
mit einer Stadt macht, wenn Normalverdiener es sich nicht mehr leisten können dort zu leben. Genau diesen Fall haben wir in San Francisco. Selbst Menschen, die für die Stadt arbeiten, müssen teilweise stundenlang fahren, um von ihrem Wohnort in die Stadt zu gelangen. Soweit darf es in Kiel nicht kommen.

Westwind: Dann kann San Francisco also auch etwas von Kiel lernen?

Ulf Kämpfer: Unbedingt. Es handelt sich um eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir kooperieren zum Beispiel beim Thema Zero Waste. Und Dinge wie ein Energiewendekraftwerk gibt es in San Francisco noch nicht. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir etwas voneinander lernen können.

Westwind: Wie sieht für dich denn der Alltag als Oberbürgermeister aus?

Ulf Kämpfer: Ich führe sehr viele Gespräche mit den Dezernentinnen und Dezernenten und natürlich mit externen Investoren und Verhandlungspartnern.
Ich führe als Politiker aber auch viele politische Gespräche und ich bin Repräsentant der Stadt bei öffentlichen Terminen. So kommt man dann schon auf seine 70 bis 80 Stunden die Woche. Man braucht also eine gewisse Belastbarkeit. Man braucht aber vor allem Leidenschaft für die Stadt und man muss Menschen mögen. Dann pendelt sich das gut aus. In der Summe kann ich sagen, dass ich meine Aufgabe hier sehr erfüllend finde.

Westwind: Was waren denn besonders kuriose Erlebnisse der letzten Jahre?

Ulf Kämpfer: Manchmal gibt es schon sehr skurrile Gespräche mit Investoren, bei denen man denkt: Wenn ich jetzt nicht Oberbürgermeister wäre, dann müsste ich eigentlich aufstehen und gehen. Da muss man manchmal ein dickes Fell haben. Toll ist immer, wenn ich besonders nah an den Kielerinnen und Kielern dran bin. Wenn mich zum Beispiel Schulklassen besuchen und mich fragen, ob ich einen Zylinder oder einen Diener habe. Der Politik wird häufig vorgeworfen,
zu wenig für den globalen Klimaschutz zu tun. Was kann Kiel für den Klimaschutz tun? Die wichtigsten Entscheidungen werden bei diesem Thema nicht auf kommunaler, sondern auf internationaler Ebene getroffen. Aber das, was wir tun können, tun wir natürlich. Wir sind zum Beispiel eine von 42 Modellkommunen in Deutschland, die besonders vorbildlichen Klimaschutz betreiben wollen. Dafür bekommen wir auch Preise – zuletzt für die Green-IT beim Abfallwirtschaftbetrieb. Aber diese Schritte werden nicht ausreichen, damit wir den Klimawandel aufhalten können. Wir müssen also noch ehrgeiziger werden. Heizen und Fahren, das sind die beiden nächsten großen Baustellen beim Klimaschutz, auch in Kiel.

Westwind: Stichwort Verkehrswende: Uns würde interessieren, welche Rolle für dich das Fahrrad einnimmt und was du noch für den Radverkehr tun willst.

Ulf Kämpfer: Ich habe selber noch nie ein Auto besessen und fahre ganz viel Fahrrad. Deswegen kenne ich sehr gut die Stärken und Schwächen des Kieler Radnetzes. Mit der Veloroute 10 ist schon etwas Tolles entstanden, aber an vielen Stellen müssen wir noch viel mehr tun und ich möchte
das Tempo deutlich erhöhen. Ich will, dass wir mit Velorouten die Kernstrecken nach Kopenhagener Vorbild bauen. Dann glaube ich, werden wir den einen oder anderen Autofahrer aufs Fahrrad locken. Und wo das nicht reicht, brauchen wir auch einen deutlich attraktiveren
öffentlichen Nahverkehr. Leider hat man sich das als Stadt Jahrzehnte lang nicht leisten können– deswegen müssen wir jetzt richtig Gas geben.

Westwind: Für uns als SPD ist das Thema „Soziale Stadt“ zentral. Was muss in diesem Bereich noch getan werden?

Ulf Kämpfer: Wir haben in Kiel das Problem, dass wir eine ziemlich starke soziale Entmischung haben. Das tut den Stadtteilen nicht gut. Deswegen kümmern wir uns zum Beispiel mit dem Projekt „Gaarden Hoch Zehn“ darum, dass wir wieder mehr Vielfalt in den Stadtteil bekommen. Darüber hinaus werden wir mit der neuen Kieler Wohnungsbaugesellschaft in allen Kieler Stadtteilen Sozialwohnungen bauen. In Wien zum Beispiel sind zwei Drittel der genossenschaftlichen Wohnungen in städtischer Hand. Dort funktioniert dieses Konzept sehr gut. Das ist sicher auch einer der Gründe dafür, dass Wien gerade zu der lebenswertesten Stadt der Welt gewählt wurde. Wien hat dafür hundert Jahre gebraucht, aber bei uns darf das nicht so lange dauern.

Westwind: Könntest du dir auch vorstellen irgendwann eine Rolle in der Landesoder Bundespolitik zu spielen?

Ulf Kämpfer: Ich bin absolut glücklich mit dem, was ich mache. Die letzten fünf Jahre waren zwar die anstrengendsten, aber auch die intensivsten und glücklichsten meines bisherigen Lebens. Als Oberbürgermeister hat man so viele Gestaltungsmöglichkeiten, man ist noch so dicht an den Dingen dran. Das geht auf Landes- und Bundesebene schnell verloren. Ich hatte nicht geplant Oberbürgermeister zu werden und ich hatte nicht geplant Umweltstaatssekretär zu werden. Ich möchte es weiter so handhaben, dass die Dinge kommen, wenn sie kommen. Aber für die nächsten Jahren würde ich gerne Kieler Oberbürgermeister bleiben.

Westwind: Zum Abschluss noch eine Frage, die wir zukünftig jedem Interviewpartner stellen wollen: Was ist dein Lieblingsort in Kiel? Oder hast du einen Geheimtipp?

Ulf Kämpfer: Ich bin sehr gerne in dem kleinen Gartenhaus im alten botanischen Garten. Dieser Ort ist eine kleine Ruheinsel mitten in der Stadt und man kann dort sehr schön aufs Wasser schauen. Wenn ich mit der Familie unterwegs bin, bin ich sehr gern am Falkensteiner Strand und ich jogge gerne an der Eider entlang.

Westwind: Lieber Ulf, wir bedanken uns für das Gespräch.

Thore Pingpank

Tabea Philipp