Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Hans-Friedrich Traulsen zum Haushalt 2017

Dr. Hans-Friedrich TraulsenI. Zur aktuellen Lage

Anrede,

die letzten Haushaltsberatungen sind erst 10 Monate her. Am 18. Februar dieses Jahres haben wir hier über den laufenden Haushalt 2016 debattiert und entschieden. Wir standen damals alle unter dem Eindruck der Flüchtlingsfrage und der enormen Herausforderung, die damit 2015 auf unsere Stadt zugekommen war.

Auch wenn sich die Lage inzwischen deutlich beruhigt hat: Wir mussten 2016 sehen, dass die geplante Unterbringung von Flüchtlingen in einigen Stadtteilen nicht nur auf ungeteilte Zustimmung stößt. Aber: Unsachliche und im Kern fremdenfeindliche Äußerungen sind die große Ausnahme geblieben, und darauf kann die ganze Stadt Kiel stolz sein! Die große Hilfsbereitschaft und das Verständnis der weitaus meisten Kielerinnen und Kieler haben nicht nachgelassen und allen, die sich dabei engagieren, gilt unser Dank.

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Im Februar habe ich auch gesagt, dass bei allem auch finanziellem Engagement für dies Thema der Stadthaushalt ein Haushalt für alle Kielerinnen und Kieler sein muss, für die, die schon hier waren und für die, die jetzt zu uns gekommen sind.

Anrede,

in diesem Haushalt für alle Kielerinnen und Kieler soll das Defizit nur noch bei rund 20 Millionen Euro liegen. Dass es überhaupt ein Defizit gibt, ist nach wie vor Ausdruck einer strukturellen finanziellen Unterausstattung der Kommunen, insbesondere der kreisfreien Städte. Zu Recht fordert der Deutsche Städtetag, dass im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein gesamtdeutsches Regionalfördersystem geschaffen werden muss.

Besonders die Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur eignet sich dafür, die wachsenden Infrastrukturschulden, hervorgerufen durch die falsche Politik des sogenannten „schlanken Staats“, zu bekämpfen. Aber auch die hohen Belastungen vieler Städte durch Sozialausgaben müssen verringert werden. Im Übrigen muss völlig klar sein: Welche Zukunftschancen Menschen haben, darf nicht davon abhängen, wo sie wohnen. Wenn der neoliberale Zeitgeist des vergangenen Jahrhunderts die Gleich­wer­tigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland bestritten hat, war das ein krasser Irrtum. Deutlich erkannt hat das die Fratzscher-Kommission mit ihrem 5-Punkte-Programm gegen den Verfall der öffentlichen Infrastruktur, wobei ich nur die Notwendigkeit von mehr Planungskapazitäten und von sozialen Investitionen hervorheben möchte.

Anrede, anlässlich dieser Debatte zum Haushaltsentwurf 2017 dankt die SPD-Ratsfraktion dem Kämmerer Wolfgang Röttgers, seinen Mitarbeitern und der Verwaltung insgesamt für die geleisteten Anstrengungen für eine nachhaltige Finanzpolitik, die Haushaltskonsoli­dierung mit Investitionen in die Zukunft der Stadt verbindet. Diese Politik ist gut für Kiel, sie muss aber immer in der Lage sein, auf wachsende Herausforderungen zu reagieren.

Das gilt insbesondere für den Wohnungsbau, für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums.  Hier müssen die Anstrengungen der Stadt intensiviert werden, und zwar jetzt, nicht erst in ein paar Jahren. Wir müssen den hervorragenden Ansatz des Masterplans Wohnen von 2015 endlich mit Leben erfüllen! Ich appelliere an alle Beteiligten, an private Investoren ebenso wie alle sonst Zuständigen: die Zeit des Zögerns und der Bedenken muss vorbei sein, jetzt muss gebaut werden!  Wenn es in den 90er Jahren möglich war, über 1.300 Wohnungen pro Jahr fertigzustellen (1995:1.418, 1997: 1.399, 1998: 1.377), dann ist die Zahl von im Durchschnitt etwa 400 Fertigstellungen pro Jahr und 800 bis 1000 Baugenehmigungen angesichts des Bedarfs deutlich zu niedrig.

Die angespannte Lage bei bezahlbaren Wohnungen muss jetzt zum aktiven Handeln führen und darf nicht Hoffnungen auf in ferner Zukunft vielleicht zur Verfügung stehenden weiteren Wohnflächen geopfert werden! Hier liegt ein zentrales Handlungsfeld nicht nur des Wohnungsbaudezernenten, sondern gerade auch des für Stadtentwicklung zuständigen Stadtrates. Die SPD wird das Handeln der Verwaltung daran messen, was jetzt rasch an Wohnungsbau mobilisiert werden kann. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass in diesem Haushalt über 6 Mio. Euro für eigene Wohnungs­bauprojekte am Schusterkrug und in der Havemeisterstraße veranschlagt sind. Das ist genau der richtige Weg. Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums muss in Kiel zu einer Erfolgsgeschichte werden!

 

II. Rot-grün-blauer Haushalt

Anrede,

die 2017 vorgesehenen 47,7 Mio. Euro für Investitionsmaßnahmen belegen, dass eine willkürliche Investitionsbremse von 30 Millionen Euro die Entwicklung dieser Stadt gefährlich blockieren würde – ich nenne nur das Stichwort Stadtentwässerung. Ich beglückwünsche Oberbürgermeister und Kämmerer dafür, was sie in dieser für Kiel existentiellen Frage in beharrlichen Gesprächen bei der Kommunalaufsicht erreichen konnten.

Dabei bleiben wir in Kiel auch 2017 bei der Priorität für Bildung und führen ungeachtet oppositioneller Störmanöver das von uns beschlossene Schulbauprogramm fort. Es werden wie in den Vorjahren Millionenbeträge für Schulbau investiert, unter anderem für die Humboldtschule (1,3 Mio.), die Johanna-Mestorf-Schule (2,1 Mio.) und die Muhliusschule (1,1 Mio.). Der Nettoaufwand für Schulen beträgt insgesamt 70 Mio. Euro. Die Regionalen Berufsbildungszentren werden weiterhin mit 2,5 Mio. Euro finanziert. Die Planungen für Sanierung und Bau von Ersatzgebäuden für das RBZ 1 laufen, im Haushalt 2017 stehen 5,5 Mio. Euro für das Gebäude 18 B zur Verfügung. Alle Maßnahmen sollen bis zum Jahr 2020 abgeschlossen sein.

Das Angebot der Kinderbetreuung wird auch im Jahr 2017 weiter verbessert. Wir erreichen inzwischen einen Nettoaufwand für Kindertagesstätten von 72,3 Mio. Euro. Mit 37,1% Betreuungsquote schreitet der Ausbau bei den Unter-Dreijährigen trotz wachsender Bevölkerung ebenso weiter voran wie im Grundschulbereich (74,9%). Für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren besteht bereits seit Jahren nahezu eine Vollversorgung.

Schulsozialarbeit unterstützt die Jugendlichen individuell in ihrem Bildungserfolg. Wir haben daher 28 Vollzeitstellen nach Wegfall der Bundesmittel weiter finanziert. Seit diesem Jahr unterstützt das Land diese wichtige Aufgabe, sodass im nächsten Jahr über 32 Vollzeitstellen – im Durchschnitt mehr als eine halbe Stelle pro Schule – eingesetzt werden können.

Mit dem Bau des Holstenfleets, der 2017 beginnen soll, wird die von uns angestoßene Dynamik in der Innenstadt verstetigt – private Investitionen in Höhe von über 350 Mio. Euro sind in der Altstadt bereits angekündigt, viele Projekte wie der Umbau des Schlossquartiers laufen auf Hochtouren. Auch der Neubau des ZOB kommt voran, wenn auch leider nicht ohne Bauverzögerungen, was wegen des Einnahmeausfalls besonders schmerzlich ist (3,3 Mio Euro).

Das Sport- und Freizeitbad soll im kommenden Herbst 2017 endlich eröffnet werden! Wir setzen uns auch für die Sanierung der Schwimmhalle Schilksee, des Eiderbades Hammer und den Erhalt des Freibades Katzheide ein, auch wenn bei diesen Projekten die Finanznot unserer Stadt und die Abhängigkeit von Landeszuschüssen – siehe Schilksee – besonders virulent wird. An dieser Stelle möchte ich einmal Gerwin Stöcken als Sportdezernent für sein unermüdliches konstruktives Wirken für diese Maßnahmen danken, die vielen Kielerinnen und Kielern immens wichtig sind.

Besonders froh können wir sein, dass endlich die vielfältigen Hürden für den Bau unseres hochmodernen Gasmotorenkraftwerks beiseite geräumt worden sind und dieses ökologisch nachhaltige und effiziente Modellprojekt als wichtiges Element der Energiewende bereits zum Winter 2018/2019 den Betrieb aufnehmen kann. Es war kein einfacher Weg dahin, verbunden auch mit hohen finanziellen Risiken für die Stadt und deshalb ist allen zu danken, die es durchgesetzt haben, insbesondere dem Oberbürgermeister, aber auch dem Vorstand der Stadtwerke. Dieses neue Kieler Kraftwerk ist ein großer, wenn nicht der größte Erfolg Rot-grün-blauer Politik in Kiel. Auch politisch war das Ganze kein Spaziergang. Ich erinnere mich noch gut, dass die CDU eine 800-Megawatt-Kohleschleuder wollte und wie Herr Kruber nach der Kommunalwahl 2008 hier in dieser Ratsversammlung mit großen Plakaten das Horrorbild aufmalte, alles andere würde dazu führen, dass die Kieler keine Fernwärme und keinen Strom mehr hätten. Da sind Sie hoffentlich inzwischen zu besserer Einsicht gelangt!

Der Umbau der Anschlussstelle Kiel-Mitte der A 215 und damit die Verlängerung des Mühlendamms ist ein wichtiges Projekt für die Zukunftsfähigkeit der Verkehrsanbindung und die Entlastung der Stadtteile. Die Arbeiten sind Montag nun endlich gestartet. 7,7 Mio. Euro sind dafür im Haushalt veranschlagt. Das ist ein weiterer großer Erfolg für Rot-Grün-Blau, denn wir haben das umfassende Bürgerbeteiligungsverfahren beschlossen, bei dem dann die jetztige Lösung gefunden werden konnte.

Die neue Rettungsleitstelle am Westring (2 Mio. Euro) ist ein wichtiger Schritt für die Zukunftsfähigkeit von Feuerwehr und Rettungsdienst. Mit Investitionen von 12 Mio. Euro gehen wir weiter gegen den Sanierungsstau in der Stadtentwässerung vor. Der Wiederaufbau des Hofs Akkerboom hat letzte Woche angefangen und ist mit weiteren 400.000 Euro berücksichtigt. Viele weitere Projekte werden in der heutigen Debatte zu erörtern sein.

 

III. Unsere Anträge

Anrede,

erneut setzen die Kooperationspartner von SPD, Grünen und SSW zusätzliche inhaltliche Akzente im Haushalt. Unsere Anträge im Umfang von rund einer halben Million Euro können unter dem Motto „Kiel für alle“ zusammengefasst werden, denn sie richten sich an Kinder und Jugendliche wie an Senioren, an Berufsschülerinnen und Berufsschüler ebenso wie an Kleingärtner  und MigrantInnen. Wir wollen damit das gesellschaftliche Zusammenleben und die Teilhabe verschiedener Gruppen in der Stadt stärken.

So stärken wir mit 250.000 Euro pro Jahr die sozialpädagogische Arbeit der Regio­nalen Berufsbildungszentren. Außerdem stellen wir für das PETZE-Institut für Gewaltprävention für das Angebot „Echte Schätze“ zur Prävention und Intervention von sexuellem Missbrauch für Kieler Kindertagesstätten 38.000 Euro bereit.

Wir stocken die Mittel des Jahresprogramms für Straßenbeleuchtung um 75.000 Euro auf, so dass nunmehr als wirksamer Beitrag zur Inneren Sicherheit 650.000 Euro zur Beseitigung von Angsträumen zur Verfügung stehen.

Für unser neues Kieler Förderprogramm für den gesellschaftlichen Zusammenhalt stehen 100.000 Euro zur Verfügung. Damit wollen wir möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an dem gesellschaftspolitisch notwendigen Dialog und Diskurs beteiligen und der Entstehung von extremen Haltungen entgegenwirken.  Wie mit unserem erfolgreichen Programm „Kiel gemeinsam gestalten“ wollen wir bürgerschaftliche Aktivitäten anregen und unterstützen, hier besonders solche, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, gruppenbezogene Vorurteile überwinden und Teilhabe für alle Bevölkerungsgruppen in Kiel sichern.

Außerdem haben wir jeweils 20.000 Euro für zwei Förderprogramme vorgesehen, die den älteren Menschen in Kiel helfen im Rahmen von Mehrgenerationenarbeit und der Teilhabe von Menschen mit Demenz.

Das im November beschlossene Kleingartenentwicklungskonzept ist bei allen Beteiligten auf große Zustimmung getroffen. Wir stellen für die Umsetzung 50.000 Euro bereit und setzen damit als Selbstverwaltung ein Signal an die Kleingärtner, auch und gerade angesichts der bedauerlichen Konfliktlage zwischen Stadtverwaltung und Kreisverband, die hoffentlich von der Verwaltung zu einem guten Ende geführt werden.

Die wichtige Arbeit der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für MigrantInnen (ZBBS) fördern wir mit 60.000 Euro, um die Integration zu unterstützen. Auch der Treff- und Informationsort für MigrantInnen (TIO) erhält zusätzliche 40.000 Euro. Weitere Akzente setzen wir bei der Elektromobilität (50.000 Euro gegenfinanziert), der  Jungen Bühne zur Kieler Woche (8.000 Euro) und der Förderung der dänischen Minderheit (2.500 Euro).

 

IV. Ausblick

Anrede,

die Politik, die dieser Haushaltsentwurf widerspiegelt, ist die richtige für Kiel. Ich wieder­hole, was ich im Februar gesagt habe: Erfolgreiche Haushaltskonsolidierung muss  realistisch und tragfähig angelegt sein. Neben dem CDU-Personalabbaukonzept – Stichwort Kienbaum – sind ja auch die Abschaffung der Erbpacht, die Einführung der Hallenbenutzungsgebühren und der Angriff auf die Existenz der Stadtteilbüchereien wegen ihrer unerträglichen sozialen Folgewirkungen gescheitert. Deshalb wende ich mich auch heute gegen eine Politik des Kaputtsparens und bürgerfeindlicher Aufgaben­reduzierung  Das Gerede von Spendierhosen ist läppisch und wird dem Anspruch der Sache nicht gerecht.

Die  Deckungsvorschläge der Opposition sind politisch verräterisch: Was ist es für ein politisches Signal an Mieterinnen und Mieter, beim Wohngeld kürzen zu wollen! Und der Vorschlag zur Streichung des dänischen Büchereibusses ist ein versuchter Schlag der FDP gegen eine  fortschrittliche Minderheitenpolitik, Ausdruck eines überwunden geglaubten Denkens.

Immerhin hat die Opposition zum Haushalt 2017 erstmals seit Jahren einige sinnvolle Anträge gestellt. Ausdrücklich möchte ich begrüßen, dass die CDU genau wie wir das Präventionsprojekt von PETZE unterstützen will und dass die FDP ebenso wie wir die Mittel für Straßenbeleuchtung aufstocken will. Es ist gut, dass es nach so vielen Jahren doch einmal Übereinstimmung in einzelnen politischen Punkten gibt. Die übrigen Oppositionsanträge gehen allerdings ins Leere, insbesondere der Antrag der CDU zur Zusammenlegung von Haushaltstiteln beim Schulbau. Davon wird keine Schule schneller gebaut. Dass wir schon längst ein Controlling der Verwaltung beschlossen haben, haben wir Ihnen schon im November zu verdeutlichen versucht – offenbar ohne Erfolg (Drs. 0106/2016). Seit 2009 haben wir über 200 Millionen Euro in Investitionen, Sanierungen und Bauunterhaltung an Schulen gesteckt – Sie haben die zugrunde liegenden Haushaltspläne alle abgelehnt.

Die übrigen Oppositionsanträge haben uns sachlich nicht überzeugt und wir lehnen sie daher ab.

Anrede,

auch der rot-grün-blaue Haushalt 2017 ist wieder Ausdruck der erfolgreichen Politik der Kooperation für diese Stadt. Wir investieren in Infrastruktur, Bildung und soziale Teilhabe. Wir laden alle ein, mit uns gemeinsam diesen mutigen Weg in die Zukunft Kiels zu gehen.